Forschungsprojekt InSchuKa: Mit intelligent gesteuerten Kanälen auf den Klimawandel reagieren

Wetterextreme, wie Starkregen und Trockenheit, stellen die Abwasserwirtschaft vor große Herausforderungen. In einem Forschungsprojekt mit der Hochschule Hof entwickelt der Zweckverband JenaWasser nun ein System zur digitalen Kanalnetzsteuerung. Ziel ist es unter anderem, auf Basis von Wetterprognosen und aktuellen Kanalmesswerten das Transportvolumen im Hauptsammler vollautomatisch zu erhöhen oder zu reduzieren.

Mischwassersysteme, wie sie in Jenas Unterwelt mehrheitlich anzutreffen sind, benötigen für einen sicheren und wartungsarmen Betrieb regelmäßige Niederschläge. Das Regen-Schmutzwasser-Gemisch sorgt für eine hohe Fließgeschwindigkeit im Kanal und für einen schnellen und gleichmäßigen Transport der Fäkalien in die Kläranlage. Gleichzeitig werden Ablagerungen verhindert, die zu unangenehmen Gerüchen und Schäden an der Kanalisation führen können.

Klimawandel sorgt für eine Reihe von Problemen in Jenas Unterwelt

Hingegen bringen die mit dem Klimawandel fast schon üblich gewordenen Extremwetterlagen – auf lange Trockenheit folgen kurze und heftige Regenfälle – gleich mehrere Probleme mit sich:

  • So reichen bei Starkregen die vorhandenen Kanalkapazitäten oft nicht aus, um die Wassermassen abzutransportieren. In der Folge laufen die Kanäle „über“ und mit dem Oberflächenwasser gelangt auch Schmutzwasser in Bäche und Flüsse.
  • Während der Trockenphasen wiederum müssen die Kanäle aufwändig gespült werden, um übelriechende Ablagerungen zu beseitigen und Kanalschäden zu verhindern.
  • Zudem haben beide Extremwetterlagen negativen Einfluss auf den Betrieb der Zentralkläranlage, weil diese unter gleichmäßiger Schmutzfracht und konstanter Zuflussmenge am effizientesten arbeitet.
  • Und nicht zuletzt „fehlt“ das bei Starkregen unkontrolliert abgeführte Regenwasser in Trockenzeiten, wo es sinnvoller als Spül- oder Gießwasser genutzt werden könnte.
Durch Abwasserschächte kommt man in Jenas Unterwelt

Projekt mit rekordverdächtigem Namen und breitem Teilnehmerkreis

Eine mögliche Lösung für all diese Problemlagen entwickelt und erprobt der Zweckverband JenaWasser gemeinsam mit den Hochschulen Hof und Magdeburg-Stendal im Projekt „InSchuKa 4.0„. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Vorhaben trägt – ausgeschrieben – den rekordverdächtig langen Namen „Kombinierter Infrastruktur- und Umwelt-Schutz durch KI-basierte Kanalnetzbewirtschaftung im Rahmen der Jenaer Eigeninitiative ZEUS“. Wobei es sich auch bei ZEUS um eine Abkürzung handelt: Unter der Dachmarke ZEUS „Zukunftsorientierte Energieoptimierte und Umweltfokussierte Schwerpunkte“ bündelt JenaWasser seit einiger Zeit all seine Maßnahmen zur Klimaanpassung und energetischen Optimierung von Netzen und Anlagen. Weiterhin sind an InSchuKa mit der HST Systemtechnik GmbH, der Pegasys GmbH und der Nivus GmbH drei Unternehmen aus den Bereichen Messtechnik, Automatisierung und Digitalisierung beteiligt.

Künstliche Intelligenz steuert Absperrklappen für optimale Abflussmenge

Gerade die letztgenannten Partner wird es in den kommenden Monaten auch brauchen. Denn InSchuKa ist ein Projekt zur Digitalisierung der Kanalnetzsteuerung, wie Projektleiter Frank Große aus dem Bereich Abwasser bei den Stadtwerken Jena berichtet. „Ziel ist es, in unserem Hauptsammler zwischen Lobeda und Zwätzen ein System von flexiblen Absperrklappen zu installieren und diese digital steuerbar zu machen“, erklärt Frank Große. Mit Hilfe dieser Klappen kann:

  • der Abfluss des Wassers aus dem Hauptsammler beschleunigt oder verzögert werden
  • das Kanalvolumen als Rückhalteraum genutzt oder gezielt freigegeben werden
  • das Schmutzwasser über einen gewissen Zeitraum „angestaut“ und so eine Reinigung der Kanalwände von schädlichen Ablagerungen herbeigeführt werden
  • der Zufluss zur Kläranlage gleichmäßiger und damit effizienter gestaltet werden

Der Clou: Was in der jeweiligen Situation die optimale Einstellung für die vorhandenen Absperrklappen ist, müssen sich die Abwasserkollegen nicht selbst „ausdenken“ sondern wird mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz ermittelt. Grundlage für deren Berechnungen sind vorhandene Kanalnetzsimulationen, Echtzeit-Messwerte aus dem Kanal sowie verfügbare Wetterprognosen.

„Digitaler Zwilling“ des Hauptsammlers als Ausgangspunkt

Aktuell arbeitet das Projektteam daran, die digitale Plattform mit einer Datengrundlage zu „füttern“. „Dafür wurden im vergangenen Sommer Drohnenaufnahmen von unserem Abwasser-Hauptsammler von Lobeda nach Zwätzen gemacht“, berichtet Frank Große. Entstanden ist ein dreidimensionaler „digitaler Zwilling“ des Kanals und seiner Nebenanlagen, der nun als Grundlage dient für Berechnungen und Simulationen. Einbezogen wurden auch die Erkenntnisse aus dem Generalentwässerungsplan (GEP) für Jena. Dieses Kanal(ausbau)konzept hatte der Bereich Abwasser im Jahr 2018 vorgestellt und sich darin erstmals explizit mit dem Thema Extremwetterereignisse und Starkregenvorsorge für das Stadtgebiet von Jena auseinander gesetzt. Für diese Pionierleistung erhielt der Bereich Abwasser damals sogar den Klimaschutzpreis „Die Blaue Libelle“ sowie Frank Große als maßgeblicher Akteur den Branchenpreis „Goldener Kanaldeckel“. „Im Rahmen von InSchuKa haben die Hydrologen von der Hochschule Magdeburg-Stendal unseren GEP nun nochmal nachgerechnet – und kamen nahezu exakt zu den gleichen Erkenntnissen“, berichtet Frank Große. „Darauf kann das Team sehr stolz sein.“

Pilotbetrieb startet im kommenden Jahr

Aufbauend auf diesen Werten startet eine Test- und Simulationsphase, an deren Ende die nötige Anzahl und mögliche Standorte für die flexiblen Absperrklappen definiert werden sollen. Weitere Projektschritte sind dann die Auswahl und Konfiguration von Messpunkten, an denen in Echtzeit Werte wie Kanaldurchfluss und Sedimentablagerungen erfasst und an die digitale Plattform gemeldet werden sollen. Bis Ende dieses Jahres könnte die erste Klappe angeliefert und installiert werden, blickt Große voraus. Im Laufe des kommenden Jahres könnte dann die Pilotphase starten und die Anlage in Jena im realen Einsatz getestet werden. „Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln und zu bewerten, ob das System tauglich ist, welche Möglichkeiten es bietet und welche weiteren Anwendungsfälle über die beschriebenen hinaus wir möglicherweise noch identifizieren.“

Mehr Informationen zum Zweckverbandes JenaWasser finden Sie hier. Sie haben mehr Interesse an Themen rund um Wasser und Abwasser? Dann schauen Sie mal bei diesem Blogartikel vorbei.

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