Welttoilettentag – nicht das Feuchttuch-Monster weiter füttern

Aus den Augen, aus dem Sinn. Das denken sich wahrscheinlich einige beim täglichen Betätigen der Toilettenspülung. Dieser Umstand macht es natürlich sehr verlockend, Gegenstände in die Toilette zu werfen, die dort eigentlich nicht hineingehören. Wo die Dinge landen, die fälschlicherweise über die Toilette entsorgt werden und was diese für Schaden anrichten, erfahrt ihr hier.

“Ha, jetzt habe ich das Teil am Haken”, freut sich Sven Stehlmann, Mitarbeiter des Bereichs Abwasser bei den Stadtwerken Jena. Um die Hüfte trägt er einen Gurt, an dem ein 20 Zentimeter langes Steuergerät befestigt ist. Vorsichtig bewegt er zwei Hebel und setzt damit den etwa 30 Meter langen Schlauch des Spül- und Saugfahrzeuges von JenaWasser in Bewegung. Was er da “am Haken” hat und gerade aus der Abwasserpumpstation in der Camburger Straße in Jena fischt, ist allerdings keinesfalls ein Grund zur Freude.  

Es ist in etwa so groß wie ein Medizinball und hat im Schmutzwasser einer Pumpstation eigentlich nichts zu suchen. „Alles, was du hier siehst, ist kein normales Toilettenpapier“, sagt Sven Stehlmann mit Blick auf das von Fäkalien triefende Etwas und löst auf: „Das sind Feuchttücher“.  

Ein Feuchttuch-Monster bzw. eine Verzopfung aus mehreren Feuchttüchern.

Mit einer Spülung ist alles weg – Denkste!  

Moment, denke ich mir. Diese kleinen quadratischen, meist wohlduftenden Tüchlein sollen sich in dieses Feuchttuch-Monster verwandelt haben? „Ganz genau”, sagt Marco Hüttig, Leiter des Bereiches Kanalnetz und Störung und ergänzt: „Anders als das “normale” aus Zellstoff bestehende Toilettenpapier, bestehen Feuchttücher aus verschiedenen Kunstfasergemischen, die sich im Abwasserkanal nicht auflösen.“  

Vielmehr verbleiben sie an der Wasseroberfläche und bilden dort oft mehrere zentimeterdicke Schwimmschlammdecken. Immer häufiger seien diese Schwimmschlammdecken so dick, dass man darauf stehen könne. Marco Hüttig und seine Kollegen beobachten mit Sorge die Entwicklung in den Abwasserpumpwerken.  

Für Jena und die Region entsorgt und reinigt JenaWasser seit 1993 das Schmutzwasser und sorgt dafür, dass die Nutzung einer Toilette ganz selbstverständlich ist. Diese Selbstverständlichkeit der Toilettennutzung lässt allerdings viele nicht darüber nachdenken, was mit dem Schmutzwasser nach dem Spülvorgang passiert. Da landen dann gerne mal Dinge in der Toilette, die dort drin nichts zu suchen haben und großen Schaden anrichten können. 

“Feuchttücher, Babytücher, feuchte Toilettenpapiere und andere Reinigungstücher verbinden sich zu zopfartigen, langen und festen Gebilden, die sich wie Seile um die Abwasserpumpen in den Pumpstationen legen. Rohrleitungen, Engstellen und Pumpen verstopfen und können nur mit großem Aufwand und unter hohen Kosten gereinigt oder repariert werden.”  

Marco Hüttig, Leiter des Bereiches “Kanalnetz und Störung” .

Zwischen 700 und 1.000 Kilogramm Unrat werden täglich abgesaugt 

Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, werden die Zuflüsse zu den Abwasserpumpwerken mehrmals wöchentlich von Schwimmdecken aus Feuchttüchern und anderem Unrat gesäubert. Dafür werden rund 100 Zuläufe im gesamten Verbandsgebiet von Kanalreinigungsteams mit modernen Kanalreinigungsfahrzeugen angefahren. „Die Entsorgung von Feuchttüchern über die Toilette nimmt stetig zu. Aus diesem Grund müssen auch unsere Kanalreinigungsteams häufiger im Einsatz sein“, berichtet Herr Hüttig.  

Vor etwa zehn Jahren reichte es noch aus, dass ein Mitarbeiter nebenbei unregelmäßig, aber spätestens nach vier Wochen, an den Pumpstationen nach dem Rechten sah und sie ab und an von Unrat befreite. Jetzt gibt es zwei feste Mitarbeiter, die etwa zehn Pumpstationen am Tag anfahren und Störungen beseitigen. „Das Feuchtpapier-Problem wird immer größer.“ Zwischen 700 und 1.000 Kilogramm Unrat werden täglich aus den Abwasserpumpwerken von JenaWasser und Umgebung mit dem Spül- und Saugfahrzeug abgesaugt und anschließend in die zentrale Kläranlage gefahren.  

Auch der medizinballgroße Feuchttuch-Klops, den  Sven Stehlmann aus der Camburger Straße in Jena Abwasserpumpstation gesaugt hat, wird zusammen mit anderem abgesaugten Unrat zur Kläranlage geschafft. Dass diese zusätzliche Arbeit Mehrkosten verursacht, die letztendlich der Verbraucher zahlt, scheinen viele leider zu ignorieren. Deshalb haben wir euch hier noch mal aufgelistet, was NICHT in die Toilette gehört.  

Speisereste, Medikamente, Tampons, Kondome, Katzenstreu, Slipeinlagen, Haare, Zigarettenkippen, Ohrenstäbchen, Wattepads, Lösungsmittel, Farb- und Lackreste – all das hat nichts in der Toilette zu suchen. Auch Hygienepapiere, die laut Packungsbeschreibung in die Toilette geworfen werden dürfen, gehören in den Restmüll. Der Hinweis „spülbar“ bedeutet nur, dass das Papier mit Wasser transportiert werden kann. Im Klo entsorgte Essensreste locken außerdem Ratten an.  Weitere Informationen findet ihr auch hier auf der Webseite von JenaWasser.

Gut zu wissen 

Am 19. November ist Welttoilettentag. Diesen hatte die Welttoilettenorganisation bereits vor 20 Jahren ausgerufen. Für uns in Deutschland mag sich dieser „Ehrentag“ eher witzig anhören, doch er hat einen ernsten Hintergrund.  Stellt euch mal vor, ihr hättet keine Toilette. Das betrifft immerhin rund 40 Prozent der Weltbevölkerung. Damit hat jeder dritte Mensch weltweit keinen Zugang zu hygienisch-unbedenklichen Sanitäreinrichtungen. Und ungefähr eine Milliarde Menschen müssen ihre Notdurft ungeschützt im Freien verrichten.  Die Konsequenz daraus sind eine starke Umweltbelastung, mangelnde Hygiene und Krankheiten. Denn ohne Toiletten und den erforderlichen Abwasserleitungen sowie Klärwerken breiten sich Krankheiten ungehemmt aus. Eine funktionierende Abwasserinfrastruktur ist also Voraussetzung für gesunde und lebenswerte Flüsse und Seen. 

Zahlen zum neuen Spülfahrzeug:  

Spülleistung: rund 100 Kilometer pro Jahr  

Gesamtmasse: 26 Tonnen  

Fassvolumen: 12 Kubikmeter  

Spüldrück: bis zu 400 Liter pro Minute bei max. 200 bar  

Spülschlauchlänge: 160 Meter  

Anschaffung: 2019 

Kosten: rund 500.000 Euro 

 

 

Habt ihr gewusst, dass Feuchttücher in Abwasserpumpwerken einen so großen Schaden anrichten? Verratet es uns in den Kommentaren.

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5 Kommentare
  1. Maik Wohlfeld
    Maik Wohlfeld sagte:

    Hallo, liebe Stadtwerke.

    Ich habe viele Jahre im Block gewohnt. Aber das die Toilettenproblematik so groß ist, habe ich nicht mitbekommen. Vielleicht wäre es mal an der Zeit,, die Leute direkt darauf aufmerksam zu machen. Gerade wo jetzt das Thema Klima und Umwelt im Fokus steht. Sowas wie Flyer oder Aushänge an den Eingangstüren. So zur Auffrischung an den gesunden Menschenverstand.
    Ich würde auf diesen Beitrag hingewiesen, aber das geht an den meisten Leuten sonst vorbei. Nur so als Idee. 😉

    Antworten
  2. Rainer Kirmse , Altenburg
    Rainer Kirmse , Altenburg sagte:

    WASSER IST LEBEN – Gedicht

    Die Stadt ist uns lieb und teuer;
    doch zu heiß wird’s im Gemäuer,
    wenn Sonne scheint ohn‘ Unterlass
    und weit und breit kein kühles Nass.
    Wer schon älter und gebrechlich,
    dem wird Hitzestau gefährlich.

    Im Wasser einst alles begann,
    ohne Wasser endet’s irgendwann.
    Wasser ist unser Lebensquell,
    für Sommertage essentiell.
    Ein Elixier und Tonikum,
    gehen wir sparsam damit um.

    Wir brauchen es für Speis und Trank,
    Wassermangel macht Leute krank.
    Es reinigt Stoffe wunderbar,
    befreit vom Schmutze Haut und Haar.
    Eigentlich zu schade fürs Klo,
    das Allzweckmittel H²O.😉

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus der Skatstadt

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