„Unser Schätzchen ist die 26“

90-60-30 lauten die Größen beim Jenaer Nahverkehr, die es in diesem Jahr zu feiern gilt. Denn: 90 Jahre alt wird der historische Triebwagen 26, was auch die älteste Straßenbahn im Fuhrpark ist. Den 60. Geburtstag feiert der Gotha-Triebwagen 101. und sein 30. Firmenjubiläum begeht Holger Schmidtke, der seit 1989 beim Jenaer Nahverkehr arbeitet und die beiden Geburtstagsfahrzeuge noch immer zu besonderen Anlässen fährt.

Wir haben die drei Jubilare getroffen.

HERR SCHMIDTKE, WANN HABEN SIE GEWUSST, DASS SIE STRASSENBAHNFAHRER WERDEN WOLLEN?

Straßenbahnfahrer Holger Schmidtke ist seit 30 Jahren im Dienst und fühlt sich besonders den historischen Bahnen verbunden.

Als ich klein war, wollte jeder Junge Lokomotivführer werden. Das war auch mein Wunsch. Aber richtig in Berührung gekommen bin ich mit Schienenfahrzeugen erst in Jena. Hier habe

ich eine Ausbildung zum Straßenbahnfahrer gemacht. Gleich die erste Fahrt war sehr abenteuerlich: Am Ernst-Abbe-Platz nahm mir ein PKW-Fahrer die Vorfahrt. Aber auch sonst waren die Bedingungen damals noch andere. Die Gleise in Jena-Ost beispielsweise lagen nicht auf einer Ebene, es war richtiggehend buckelig, also brauchte man eine gewisse Übung beim Kuppeln, um da gut durchzukommen. Bei den Bahnen war Fingerspitzengefühl gefragt, das war herausfordernd, hat aber zugleich viel Spaß gemacht.

HABEN SIE EINE LIEBLINGSBAHN?

Ja, damals war der Gotha-Triebwagen 101 meine liebste Bahn – und er ist es noch heute. Die große Kabine für den Fahrer ist toll und sie lässt sich gut fahren. Unser ‚Schätzchen‘ allerdings ist die 26. Es ist weltweit das einzige Fahrzeug aus dieser Reihe, das noch zugelassen ist. Für diese Bahn schlägt mein Herz, das ist Liebhaberei, eine große Verbundenheit. Wenn es irgendwie möglich ist und Bedarf besteht, fahre ich sie gern. Aber da bin ich nicht der Einzige.

SIE HABEN SIE ALLE GEFAHREN, HISTORISCHE WAGEN UND NEUE ZÜGE – WAS HAT SICH FÜR SIE AM MEISTEN VERÄNDERT?

Das Fahren der historischen Züge ist definitiv anstrengender. Die Kurbel bedienen, die Handbremse spannen, die schlechten Schienenverhältnisse ausgleichen – das war früher körperliche Arbeit. Auch gab es keine Klimatisierung in den Fahrerkabinen. Heute ist das Fahren definitiv einfacher, aber der Verkehr ist herausfordernder geworden.

GIBT ES BESONDERE ERLEBNISSE MIT DEN HISTORISCHEN FAHRZEUGEN, AN DIE SIE BESONDERS GERN ZURÜCKDENKEN?

Ja, zum Beispiel, als wir im Sommer 2017 zum Tag der offenen Tür Gäste und Kollegen aus Köln und Belgien zu Besuch hatten und diese mit der ‚26‘ auf Tour gingen. Sie wollten einfach nicht mehr aussteigen, sondern den ganzen Tag in der Bahn verbringen. Schön war auch die letzte planmäßige Dienstfahrt mit der 101 am 17. September 2002. Ich weiß sogar noch die genaue Uhrzeit: Die Fahrt ging bis 0:36 Uhr, wir haben Fotos gemacht.

SIE FEIERN IN DIESEM JAHR IHR 30. DIENSTJUBILÄUM. VERRATEN SIE NOCH, WAS SIE ALL DIE JAHRE BERUFLICH ANGETRIEBEN HAT?

Ich liebe meinen Beruf, ich gehe jeden Tag gern auf Arbeit, nörgeln kenne ich nicht. Mein Beruf ist vielseitig, ich habe mit Menschen zu tun und fahre täglich durch unsere schöne Stadt. Ich sehe die Kernberge, die Oberaue, die verschiedenen Stadtteile – und das zu jeder Jahreszeit. Was will ich mehr?

Der Originaltriebwagen Nr. 26 von 1928 auf dem Betriebshof Nord im Jahr 1931.

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