Nach dem Sturm: Als Helfer in Mosambik

Im März 2019 fegte ein Zyklon über Südostafrika und hinterließ schlimme Verwüstungen. 1,85 Millionen Menschen waren auf Hilfe angewiesen, allein in Mosambik wurden mindestens 91.000 Häuser zerstört. Viele Hilfsorganisationen waren vor Ort, um beim Bau von Notunterkünften und der Versorgung mit Wasser und Nahrung zu helfen.  Mittendrin: Benedict Thieme – Wassermeister bei den Stadtwerken Jena. Als Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) tat er dreieinhalb Wochen das, was er beruflich am besten kann: Er sorgte für dringendst benötigtes sauberes Trinkwasser. Seine Motivation und Eindrücke schildert er in einem Gespräch.

Herr Thieme, warum engagieren Sie sich beim THW?

Ich bin seit elf Jahren bei den Stadtwerken, hier habe ich auch meine Ausbildung gemacht. Mein Beruf ist mein Traum, Wasser ist meine Mission. Leider habe ich das Gefühl, dass in unseren Breitengraden die Wertschätzung für das hohe Gut Trinkwasser verloren gegangen ist. Darum wollte ich da hin, wo Wasser noch kostbar ist – und helfen, wo es gebraucht wird. Also habe ich mich vor drei Jahren beim THW beworben.

Ich habe das Gefühl, dass in unseren Breitengraden die Wertschätzung für das hohe Gut Trinkwasser verloren gegangen ist.

Wie sind Sie denn überhaupt zum THW gekommen?

Zunächst habe ich mich über Hilfsorganisationen informiert und festgestellt, dass die technische Ausrichtung des THW gut zu mir passt. Heute bin ich bei der „Schnelleinsatzeinheit Wasser Ausland“. Grundlage dafür ist eine hohe Expertise in Sachen Wasserversorgung. Es gab ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren. Als klar war, dass ich dazugehöre, hatte ich noch verschiedene Lehrgänge: für Sprachen, kulturelle Besonderheiten in Ländern, Verhalten in Krisensituationen sowie Wasserver- und -entsorgung im Einsatzgebiet. Außerdem musste ich alle vom THW geforderten Impfungen samt aktuellem Gesundheits-Check vorweisen. Und ohne bestandene UN-Sicherheitszertifikate geht es gar nicht erst in den Einsatz.

Beschreiben Sie uns Ihre Einheit?

Wir sind zwölf Ehrenamtliche mit unterschiedlichen Kompetenzen: Laboranten, Elektriker, Mechaniker und Fachhelfer für Brunnen- und Rohrleitungsbau. Auch ein Logistiker ist dabei – er ist geschult, in Ländern ohne normale Infrastruktur Material für den Brunnenbau zu besorgen. Grundsätzlich sind wir innerhalb von zwölf Stunden abflugbereit, weltweit einsetzbar und dafür ausgebildet, in kürzester Zeit mobile Trinkwasserversorgung aufzubauen.

Wie kam es zu Ihrem Einsatz in Mosambik?

Geschieht auf der Welt eine Kata­strophe, tritt beim THW ein definierter Mechanismus in Gang. Zur Zeit des Zy­klons in Afrika war ich in einer drei­monatigen Ruf-Bereitschaft für das THW – und wurde informiert, dass ich zuhause und mit meinem Arbeitgeber alles Notwendige klären und mich abflugbereit halten solle. An einem Freitagabend kam dann der Anruf, dass ich am nächsten Morgen ins Krisengebiet nach Mosambik fliegen würde. Klar war ich theoretisch vorbereitet. Als es ernst wurde, gingen mir aber doch Fragen durch den Kopf: Was erwartet mich? Wie begegnen mir die Leute? Wird es gefährlich?

Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke?

Temperaturen an die 40 Grad, gefühlte 110 Prozent Luftfeuchtigkeit. Zerstörte Straßen, kein Trinkwasser, Cholera-Gefahr und kein Geschäft ohne bewaffnete Wachen davor. Zwei Tage nach dem Abflug – nach mehreren Zwischenlandungen, holprigen Wegen auf einer LKW-Ladefläche und vorbei an Krokodilen und Pavianen – kamen wir an unserem Einsatzort an: ein Schulhof in der Gemeinde Nhangau nahe Beira.

 

Was genau war Ihr Auftrag vor Ort?

Zuerst sollten wir unser Lager inklusive Wasseraufbereitungsanlage aufbauen – dann den Brunnen instandsetzen, Wasser aufbereiten, Proben nehmen und uns mit den lokalen Wasserbehörden abstimmen. Binnen eines Tages floss das Wasser, aufbereitet nach deutschen Hygienestandards. Als wir die zentrale Wasserversorgung eingerichtet hatten, galt: ausschwärmen und erkunden. Wo gibt es weitere Brunnen zu reparieren? In welchen Schulen, Krankenhäusern und Altersheimen der Region muss die Wasserversorgung hergestellt werden? Zehn Brunnen und die Wasserversorgung für 12.000 Einwohner konnten wir bei unserem Einsatz mit dem ersten Team wiederherstellen. In den letzten Tagen habe ich dann als „Einzel-Projekt“ noch eine Schul-Latrine gebaut.

Was bleibt Ihnen im Gedächtnis?

Vor allem eine Begebenheit, als das erste saubere Wasser aus der Trinkwasser-Entnahmestelle floss: Die Einwohner waren versammelt und durstig – aber keiner nahm Wasser. Erst musste ein Medizinmann in einer speziellen Zeremonie das aufbereitete Trinkwasser weihen. Dann kamen alle in Scharen, um sich welches abzufüllen. Dass sich dazu saubere Flaschen besser eignen als alte Ölkanister, war anschließend eine unserer häufigsten Aufklärungsarbeiten.

Wir sind innerhalb von zwölf Stunden abflugbereit, weltweit einsetzbar und dafür ausgebildet, in kürzester Zeit eine mobile Trinkwasserversorgung aufzubauen.

Gab es auch schöne Momente?

Ja, Freud und Leid waren die ganze Zeit sehr nah beieinander. Beeindruckend fand ich die Kinder. Sie waren selbst in der Katastrophe noch fröhlich, wissbegierig und offen. Sie bauten sich aus Abfall Spielzeug – das waren teilweise mechanische Meisterwerke. Klar, dass wir als Vertreter der Fußballnation auch Fußbälle spendierten. Toll war auch, als wir ihnen eine Schaukel bauten. Dieses Spielgerät kannten die Kinder in Mosambik bisher nicht. Die Freude, als sie es für sich entdeckten, ist für mich unvergesslich. Auch die Einwohner waren besonders: warmherzig, hilfsbereit und mit einer grundentspannten Mentalität.

Konnten Sie sich zwischendurch auch erholen?

Nicht wirklich. Ich hatte einen Tag „frei“, jeder Arbeitstag zählte über zehn Stunden. Wir kamen alle an unsere Grenzen. Aber wenn du das Elend siehst, willst du einfach nur helfen – mit allen Kräften, die du hast. Einige in unserem Team erlitten einen Hitzeschlag, waren überarbeitet oder bekamen einen Sonnenstich. Ich hatte Glück und blieb davon verschont.

Würden Sie den Einsatz noch einmal machen?

Sofort! Die Zeit war enorm prägend für mich. Ich habe noch nie solche Momente der Dankbarkeit und Wertschätzung erlebt – ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich helfen konnte.

Begleiten Sie Benedict Thieme auf einem Video-Rundgang durch das THW-Camp in Mosambik.

 


Steckbrief Benedict Thieme

Geboren in: Weimar

Wohnt in: Jena

Arbeitet: seit elf Jahren bei den Jenaer Stadtwerken

Startpunkt seiner Stadtwerke-Laufbahn: die dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Wasser­versorgungstechnik

Aktuelle Position: Wassermeister

Aufgabe: sorgt im Auftrag von JenaWasser für eine gleichbleibend hohe Qualität und Quantität des Trinkwassers in Jena und der Region

Ehrenamt: seit drei Jahren beim Technischen Hilfswerk Apolda

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  1. […] „Valuing Water“ – „Wert des Wassers“ – so lautet das Motto des diesjährigen Tag des Wassers. Und natürlich ist es richtig, dabei zuallererst an die 2,1 Milliarden Menschen weltweit zu denken, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Das muss sich ändern. Keine Frage. Übrigens leistet einen aktiven Beitrag dazu unser Wassermeister Benedict Thieme. Seinen Bericht vom THW-Einsatz in Mosambik lest ihr hier. […]

  2. […] Welche Katastrophe es für diese Menschen ist, wenn gerade dieser eine Gemeinschaftsbrunnen ausfällt, hat unser Wassermeister Benedict Thieme in Mosambik erlebt. Nach dem Zyklon Idai im März 2019 war er als THW-Helfer vor Ort, baute die zerstörte Wasserversorgung wieder mit auf, errichtete Notbrunnen und installierte Latrinen. Eine enorm prägende Zeit, die ihn den Wert des Wassers wieder neu wertzuschätzen lehrte. Hier erfahrt ihr mehr über seinen Einsatz. […]

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