MeinJena – Alltagshelfer für Sehbehinderte
Haben Sie schon mal versucht, mit geschlossenen Augen eine App auf dem Smartphone zu bedienen? Was für mich als normal Sehende nach einem Ding der Unmöglichkeit klingt, ist für Ullrich Bodsch vor allem eine Frage des richtigen Fingertipps. Der 55-jährige Jenaer ist stark sehbehindert. Seine Erfahrungen halfen, unsere App MeinJena zum funktionalen Alltagsbegleiter auch für Blinde zu machen.
Ein Gendefekt ließ Ullrich Bodsch vor zehn Jahren soweit erblinden, dass er nur noch verschwommene Randbereiche des Sehzentrums sowie Hell und Dunkel wahrnimmt. Er sagt: „Ich habe mein Augenlicht relativ spät und plötzlich verloren. Bis ich mich wieder im Leben zurechtfand, musste ich vieles neu lernen.“ Eineinhalb Jahre brauchte er, um die Blindenschrift zu erfassen, Alltagssituationen zu meistern und in seinen Beruf zurückzufinden, der sich um IT und Software dreht. Er bemerkte schnell:
Ein Gendefekt ließ Ullrich Bodsch vor zehn Jahren soweit erblinden, dass er nur noch verschwommene Randbereiche des Sehzentrums sowie Hell und Dunkel wahrnimmt. Er sagt: „Ich habe mein Augenlicht relativ spät und plötzlich verloren. Bis ich mich wieder im Leben zurechtfand, musste ich vieles neu lernen.“ Eineinhalb Jahre brauchte er, um die Blindenschrift zu erfassen, Alltagssituationen zu meistern und in seinen Beruf zurückzufinden, der sich um IT und Software dreht. Schnell merkte er:
„Die digitale Welt bietet für Blinde gewaltige Möglichkeiten im Bereich der Teilhabe. Apps allerdings werden fast immer von sehenden Entwicklern programmiert. Klar, dass sie sich nicht in alle Anwendungsfälle eines Blinden eindenken können. Deshalb gibt es bei manchen Funktionen Lücken in der Bedienung.“
Ullrich Bodsch
Doch wie bedient Ullrich Bodsch überhaupt eine App, ohne den Bildschirm zu sehen? Indem er gelernt hat, in welchem Bereich des Touchscreens er mit wie vielen Fingern auf welche Weise tippen und wischen muss. So lässt er sich die auf dem Display angezeigten Inhalte per VoiceOver-Technologie vorlesen. In einer Geschwindigkeit, die an einen zu schnell eingestellten Plattenspieler erinnert. Ulrich Bodsch:
„Sehende überfliegen Texte und nehmen das Wichtigste auf. Ich habe gelernt, Gehörtes zu überfliegen.“
Ullrich Bodsch
Fehler lauert in der falschen Programmierung
Und da lauert der Fehler: Ist eine Schaltfläche nicht vertont, kann ein Sehbehinderter in Bereichen der App „gefangen“ sein. Öffnet sich ein Fenster ohne akustisches Signal, klappt die Navigation nicht mehr. Und ohne den gehörten Hinweis tappt man im Dunkeln, beispielsweise darüber, ob ein Kauf abgeschlossen ist oder nicht.
Ullrich Bodsch ist nicht nur IT-affin, er ist auch im Vorsitz des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Jena. Um mit Gleichgesinnten Software-Systeme und Apps zu diskutieren, gründete er einen Anwender-Stammtisch. Einmal im Monat trifft er sich mit anderen Sehbehinderten zum Erfahrungsaustausch. Oft entstehen dabei Verbesserungsvorschläge – auch für Entwickler anderer Apps. 2019 nahm sich der Stammtisch die App MeinJena vor. Jeder Navigationspunkt – vom Routenplaner über die städtischen Notrufnummern bis hin zu Wohnungsangeboten – wurde auf Barrierefreiheit getestet. „Einige Punkte in der Texterkennung waren für uns nicht ausgereift programmiert. Also haben wir alles aufgeschrieben und an die Stadtwerke Jena geschickt“, sagt Ullrich Bodsch.
Dort trafen die Anregungen auf offene Ohren. Es folgten ein intensiver E-Mail-Verkehr, Treffen mit den Entwicklern und einige Anpassungen – bis Ullrich Bodsch signalisierte: „Alles prima, wir können die App jetzt durchgängig nutzen!“ Beendet ist die Zusammenarbeit damit nicht. MeinJena hat nach fast jedem Update neue Funktionen – bei denen auch zukünftig Ullrich Bodschs Meinung gefragt ist.
Hier sehen Sie ein Video über Ullrich Bodsch und die Sache mit dem richtigen Fingertipp:
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!