JenErgieReal: Darum geht es bei unserem Reallabor der Energiewende

Wie Städte nachhaltig mit Energie und Wärme versorgt werden können, erforschen wir seit November 2022 in einem Reallabor der Energiewende. Kern des Projektes ist der Aufbau eines virtuellen Kraftwerks. Hier erklären wir, worum es dabei geht und was wir bis 2027 noch alles im Rahmen von JenErgieReal erforschen wollen.

Unter einem virtuellen Kraftwerk wird im Allgemeinen eine Gruppe von kleineren, dezentralen, meist regenerativen Stromerzeugungsanlagen verstanden. Diese werden digital verbunden und damit zentral steuerbar gemacht. Die Idee dahinter: Im Verbund können viele kleine Anlagen (selbst bei grundsätzlich schwankender Einspeisung) zuverlässig und flächendeckend soviel Energie bereitstellen, dass sie konventionelle Kraftwerke ganz oder zumindest teilweise ersetzen könnten.

Hier setzt JenErgieReal an, geht aber noch einen paar Schritte weiter:

  • Die Forschenden betrachten die Versorgung mit thermischer und elektrischer Energie.
  • Sie beziehen nicht nur die Energieerzeugung, sondern auch Speichermöglichkeiten und größere Verbraucher von Energie ein.
  • Sie betrachten dabei übergreifend alle Haupttreiber des Energieverbrauchs in Städten: Verkehr, Industrie, Gewerbe und Wohnen.
  • Sie integrieren erstmals die Elektromobilität als Bindeglied zwischen den Sektoren in die virtuelle Kraftwerksstruktur.
  • Sie nutzen Technologien der künstlichen Intelligenz und entwickeln neue Mess- und Abrechnungsmethoden, um das virtuelle Kraftwerk je nach Netzsituation flexibel skalieren und in Echtzeit steuern zu können.
das Team des Reallabors der Energiewende
Das Fördermittelübergabe für JenErgieReal durch Christian Maaß, Leiter der Abteilung Energiepolitik, Wärme, Wasserstoff und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium an Vertreter der Stadtwerke Jena-Gruppe am 04.11.2022 in Jena.

Anspruchsvolles Vorhaben für ein interdisziplinäres Team

2019 hatten es die Stadtwerke Jena Netze mit JenErgieReal in die Endrunde des Ideenwettbewerbes „Reallabore der Energiewende“ des damaligen Bundeswirtschaftsministeriums geschafft: Von 90 eingereichten Projekten wurden damals gerade einmal 20 als förderfähige Vorhaben eingeschätzt. JenErgieReal war übrigens als einziger Thüringer Beitrag dabei.

Doch ging die Arbeit nach der Berufung in diesen „exklusiven Kreis“ erst richtig los. Zur Erstellung der Fördermittelanträge wurden die Projektinhalte verfeinert und mit Verantwortlichkeiten und Budgetschätzungen untersetzt. Ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen, denn JenErgieReal ist als interdisziplinäres Verbundvorhaben konzipiert und ungewöhnlich breit aufgestellt. Im Projekt arbeiten Versorger (Stadtwerke Energie) und Netzbetreiber (Stadtwerke Jena Netze), Kommunen (Stadt Jena), Industrie (Brunata Metrona), Wohnungswirtschaft (jenawohnen), Wissenschaft (Ernst-Abbe-Hochschule Jena und Westsächsische Hochschule Zwickau) und ein Sozialverband (AWO) zusammen und betreuen jeweils eigene Arbeitspakete.

Letztlich waren im Frühjahr 2022 die umfangreichen Antragsunterlagen komplett und im Sommer nahm der Verbundprojektkoordinator seine Tätigkeit auf. Im Oktober 2022 traf schließlich die Förderzusage ein und konnte im November mit der Übergabe des Förderbescheids über 20,4 Millionen Euro der offizielle Projektauftakt gefeiert werden. Insgesamt beläuft sich das Projektvolumen für Forschung und Investitionen aller acht Verbundpartner bis ins Jahr 2027 übrigens auf mehr als 40 Millionen Euro.

Was ist nun konkret geplant?

Bis 2027 soll ein virtuelles Kraftwerk errichtet und betrieben werden, welches als Zielmaßstab die Stadt Jena abbilden soll. So wollen die Forschenden zeigen, dass mit konsequenter Sektorenkopplung eine nachhaltige Energieversorgung in Städten möglich ist. Dafür sollen über das Stadtgebiet von Jena verteilt verschiedene elektrische (Strom) und thermische (Wärme) Großspeicher mit einer Gesamtleistung von 3,75 MW errichtet werden. Deren Standorte sollen exemplarisch verschiedene Sektoren des städtischen Energiesystems abbilden.

  • So soll es Wohnquartiersspeicher in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung geben.
  • Es soll netzdienliche Speicher (Speicher, die dazu beitragen Netzkosten zu verringern) im Umfeld von Ladesäulen für Elektroautos geben, aber auch Pufferspeicher zur Wärmeversorgung.
  • Erstmals werden auch Batterien von Elektrofahrzeugen aller Art als kurzzeitige Energiespeicher ins System integriert.
  • Zusätzlich sind Photovoltaikanlagen zur Deckung von Netzverlusten geplant.

Im Bereich der thermischen Energie ist der Bau von dezentralen Wärmeerzeugungsanlagen mit einer Gesamtleistung von 2,94 MW vorgesehen, darunter Solarthermieanlagen, Photovoltaikanlagen mit einer Power-to-Heat-(Strom zu Wärme)-Kopplung und Power-to-Heat-Speicher. Auch in anderen Energiesektoren anfallende Verlustwärme soll genutzt werden. So wird beispielsweise untersucht, ob die beim Schnellladeprozess entstehende Abwärme in ein dezentrales Wärmesystem eingespeist und nutzbar gemacht werden kann.

das virtuelle Kraftwerk

Virtuelles Kraftwerk reagiert in Echtzeit auf Netzsituation

Alle oben geschilderten neuen sowie bereits bestehende Anlagen sollen auf einer intelligenten digitalen Plattform zusammengeführt werden. In dieser sogenannten „Energiezentrale“ laufen alle gesammelten Daten aus den integrierten Erzeugungs-, Verbrauchs- und Speicheranlagen zusammen und bilden gemeinsam das virtuelle Kraftwerk. So entsteht ein Energiesystem aus schwankenden regenerativen Erzeugungsanlagen (Sonne, Wind), aus grundlastfähigen regenerativen Erzeugungsanlagen sowie passenden Speicherlösungen (Batterien, Pufferspeicher). Mittels intelligenter Steuerung agieren sie gemeinsam wie ein konventionelles Kraftwerk.

Im Projekt JenErgieReal wollen die Forschenden dieses virtuelle Kraftwerk dafür nutzen, die Lastverteilung im Energienetz positiv zu beeinflussen. So werden – abhängig von der jeweiligen Netzsituation – Erzeuger, elektrische Großspeicher, Elektromobilität und Verbraucher flexibel eingesetzt, um durch gezieltes Speichern, Entnehmen, Erzeugen oder Freigeben von Energie Lastspitzen zu glätten, Lasten im eigenen und vorgelagerten Netz besser zu verteilen und Rückeinspeisungen zu verhindern. Ein kostenintensiver Netzausbau zur Netzstabilisierung soll so vermieden werden.

Eichgerechte Gleichstrommessung zur Echtzeitabrechnung

Zur Steuerung dieses virtuellen Kraftwerksverbundes entwickeln die Forschenden eine passende Hardware- und Software-Architektur und bedienen sich dafür Smart City-Ansätzen und Methodiken künstlicher Intelligenz. Die Datenerhebung, Auswertung und Steuerung soll in Echtzeit erfolgen, da nur dann eine positive Auswirkung auf die Netzsituation auftritt.

Innerhalb des Projektes wird zudem die für eine flexible Steuerung und Abrechnung von Lade- und Speichervorgängen nötige eichgerechte Gleichstrom-Messtechnik entwickelt. Damit kann der in der Energiewirtschaft übliche 15-Minuten-Messstandard zugunsten einer Echtzeitmessung aufgebrochen werden. Ausgehend davon wird der automatisierte und individuelle Abschluss von Mikroverträge zwischen den verschiedenen Akteuren des virtuellen Kraftwerks möglich. Dadurch können beispielsweise auch Batterien von Elektrofahrzeugen als temporäre Zwischenspeicher mit genutzt werden.

Themenschwerpunkte und Förderungsbescheid JenErgieReal
Themenschwerpunkte und Förderbescheid für JenErgieReal

Weitere Schwerpunkte: Regulatorisches Lernen und Sozialforschung

Neben der technischen Machbarkeit des virtuellen Kraftwerk-Ansatzes legen die Forschenden einen Schwerpunkt auf das regulatorische Lernen, also das Identifizieren von Verbesserungspotenzialen im aktuellen Energierecht. Im Dialog mit dem Verordnungsgeber werde diese Potenziale auf wissenschaftlicher und breiter Basis erfasst, beschrieben und mögliche Umsetzungsszenarien entworfen. Auch sollen soziale Aspekte berücksichtigt werden. Die Akzeptanz und das Nutzerverhalten der Menschen gelten als Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende. Deshalb ist es ausdrückliches Projektziel, die Energiezentrale zu einem begehbaren Anschauungsort zu machen. Dort sollen Veranstaltungen im Projektkontext, aber auch darüber hinaus mit Bürgern und Multiplikatoren aus verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft stattfinden.

Nach zweijähriger Forschungsphase Umsetzung im städtischen Umfeld

Noch stehen die Forschenden allerdings ganz am Anfang ihrer auf fünf Jahre angelegten Arbeit. An eine etwa zweijährige Phase zunächst theoretischer Betrachtungen, schließt sich eine praktische Phase an, in der die entwickelten Konzepte vor Ort in Jena erprobt werden. Als langfristiges Ziel soll mit den Erkenntnissen aus JenErgieReal die technische Infrastruktur sowie das virtuelle Kraftwerk auf die gesamte Stadt Jena skaliert werden und die Verbindung von Wirtschaftlichkeit und Klimaneutralität herstellen. Mit seinem ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz versteht sich JenErgieReal als Blaupause für eine wirtschaftliche und sozial akzeptierte klimaneutrale Energieversorgung in Städten.

Wenn ihr mehr zum Projekt JenErgieReal oder anderen Projekten erfahren wollt, dann besucht uns doch auf unserer Internetseite www.stadtwerke-jena.de oder lest andere interessante Artikel auf unserem Blog.

1 Kommentar

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Ansätze nutzen. Daran forschen die Stadtwerke Jena Netze in ihrem Reallabor der Energiewende JenErgieReal gemeinsam mit Partnern aus Partnern aus Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und Industrie. Ziel ist […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert