Montage Partybahn

Frischekur: Die Jenaer Party Bahn

Ob man ein Haus saniert oder eine Straßenbahn, ist im Grunde genommen egal: Für beides benötigt man viel Zeit und Geduld. Das zeigt sich auch bei der fast 60 Jahre alten Jenaer Partybahn, die seit Anfang des Jahres kernsaniert wird. Spätestens zum Frühjahr 2020 soll die beliebte Bahn wieder im Einsatz sein – in einem komplett neuen Gewand. Mein Zuhause sprach mit der Innenarchitektin Hedi Kappler über ihr Gestaltungskonzept.

Zum Ortstermin im Spätsommer gab es noch jede Menge zu tun. „Die Bahn sieht momentan aus wie eine Baustelle, aber es geht gut voran“, sagt Katrin Franke, Marketingverantwortliche des Jenaer Nahverkehrs.

„In den vergangenen Wochen sind die gesamte Elektronik neu verlegt und der Innenraum lackiert sowie die Hülle neu foliert worden.“ Nun geht es an die Gestaltung der Inneneinrichtung unter Regie der Jenaer Innenarchitektin Hedi Kappler. Dazu gehören das Polstern der Sitze und Lackieren der Sitzgestelle, das Anbringen der Haltestangen oder auch das Montieren von Tischen und der Bau des sechs Meter langen Tresens. Weitere Bestandteile der neuen Einrichtung werden eine Soundanlage für die Musik unterwegs und natürlich ein Kaffeeautomat sein. Am Ende passt jedes Detail zu dem Gesamtkonzept, das Hedi Kappler extra für die Partybahn entwickelt hat. Es steht mit Farbe, Form und Materialien ganz im Einklang mit dem Werbeauftritt des neuen Sponsors, einem Getränkehersteller aus Mitteldeutschland – Ur-Krostitzer.

Wie die Partybahn saniert wird, können Sie auch in diesem Video sehen:

INTERVIEW

„Die Partybahn ist ein ganz besonderes Objekt für mich.“

Hedi Kappler

Es ist die Summe der einzelnen Teile, die im Zusammenspiel darüber entscheidet, ob wir uns in einem Raum wohl und geborgen fühlen oder nicht. Manchmal aber ist es auch nur ein einzelnes Stück, ein winziges Detail, das die Atmosphäre bestimmt und verändert. Die Jenaerin Hedi Kappler kennt sich damit aus. Als Innenarchitektin verleiht sie Geschäfts- und Bürorräumen Struktur, macht Wohnzimmer behaglich und Küchen praktikabel. Ihr neuestes Projekt ist die Jenaer Partybahn. Die Besonderheiten dieses Umbaus schildert sie uns im Gespräch.

FRAU KAPPLER, WANN KAMEN SIE DAS RRSTE MAL MIT DER INNENARCHITEKTUR IN BERÜHRUNG?

Ich trage das schon immer in mir. Es ist ein innerer Drang, die Dinge in einem 360 Grad Rundblick zu erfassen, im Raum so anzuordnen, so aufzuräumen, dass man sich darin wohlfühlt. Schon als Kind konnte ich sagen, ob eine besondere Tapete für den ganzen Raum oder für nur eine Wand geeignet ist. Das kann einen großen Unterschied machen.

WAS PASSIERT DENN MIT IHNEN, WENN DIE TAPETE NICHT PASST?

Ich fühle mich unwohl. Ich frage mich natürlich, was genau ist der Grund für dieses Störgefühl und dann geht es an die Veränderungen.

WIE WURDE AUS DEM INNEREN DRANG DIE BERUFUNG ZUR INNENARCHITEKTIN?

Begonnen hat das alles mit einer Lehre im Hotelfach. Zur Ausbildung gehörten Aufgaben wie die Lobby herzurichten oder die Tafel für die unterschiedlichsten Anlässe zu decken. Ich war sehr schnell diejenige, die für den letzten Schliff verantwortlich war. Den Tisch dekorieren, Blumen und Pflanzen auswählen oder auch die Anordnung der Möbel verändern – das waren meine Aufgaben. Das habe ich dann später zu meiner Profession gemacht.

HABEN SIE LIEBLINGSRÄUME ODER BESTIMMTE SCHWERPUNKTE?

Nein. Meine Spezialität ist, dass ich breit gefächert arbeite. Egal ob Flur oder ganzes Haus, von kleinen Glückseligkeiten bis hin zu großen Geschäftsambienten, in meinem Portfolio ist alles dabei.

WIE STARTEN SIE IN EIN NEUES PROJEKT?

Zuallererst setze ich mich mit den Auftraggebern zusammen, um über das Projekt zu reden. Ist das zum Beispiel ein privater Rahmen, lade ich mich gern zu einem gemeinsamen Teetrinken ein. Einfach um im Gespräch zu erkennen, wie der andere tickt, was er für ein Mensch ist, was ihm wichtig ist: Ist der Mensch eher nüchtern, technisch orientiert oder emotional? Das ist die Basis für spätere Entscheidungen um Farbe, Form und Material. Und dann kläre ich, was die momentane Zielvorstellung ist. Momentan, weil sich das im Projektverlauf aufgrund neuer Erkenntnisse oder unvorhergesehener Herausforderungen häufig nochmal ändern kann. Danach erst beginnt der kreative Prozess vom Entwurf bis zur Umsetzung.

REDEN WIR ÜBER DIE PARTYBAHN. WAS IST DAS BESONDERE AN DIESEM PROJEKT?

Die Gestaltung der Partybahn weicht ganz klar von der Routine ab. Es ist ein besonderes Objekt, einzigartig und individuell. Es gibt gewisse Vorgaben, an denen kommt man bei der Gestaltung nicht vorbei. Nehmen wir beispielsweise den begrenzten Platz, der nicht erweitert werden kann. Zudem muss viel zusätzliche Technik im Innenraum untergebracht werden, die der Fahrgast nicht sehen soll. Und dann bewegt sich das Ganze auch noch. Das heißt, jedes Stück, vom Sitz bis zur Kaffeemaschine, muss fixiert sein. Oder das Licht. Hier geht es darum, dass sich der Fahrgast während der Fahrt wohlfühlt, ihn das Licht aber nicht blendet. Im Straßenverkehr allerdings muss die Bahn ausreichend Licht abgeben, um gesehen zu werden. Über solche Gegebenheiten habe ich vorher noch nie nachgedacht. Mein technisches Wissen über Straßenbahnen ist in den letzten Monaten enorm gestiegen!

WELCHE GRUNDIDEEN ZU FARBE, FORM UND MATERIAL HABEN SIE BEI DER PARTYBAHN UMGESETZT?

Angelehnt an den neuen Sponsor der Jenaer Partybahn, „Ur-Krostitzer“, folgt die Grundidee für die farbliche Gestaltung im Innenraum in der Tat einem gefüllten Bierglas. Passend zum Produkt, also zum Bier, zum flüssigen Gold und zu der frischen hellen Schaumkrone, finden sich genau diese Farben wieder: Gold bei den Sitzen und weiß bei den Tischen. Damit diese zwei Farben gut zur Geltung kommen, wird der Hintergrund als Kontrast dunkelgrün gehalten. Zum Material: Es sollte robust und doch bequem sein, also weder Holzbank noch Plüschsofa. Wir haben uns schließlich für Lederbezüge entschieden. Die kann man leicht abwischen und der Brandschutz ist dabei bedacht. Ja und die Möbel sollten organisch geformt sein, gedanklich etwa so, wie wenn Bier ins Glas fließt und sich die Schaumkrone bildet. Sitzkojen mit runden Tischen wären dafür genau passend gewesen. Aber hier hat sich im Prozess die Form der Funktion untergeordnet. Es gibt dennoch keine kantigen Tische und Stühle.

WAS WAR DIE GRÖSSTE HÜRDE?

Es hat alles prima geklappt. Limitiert ist in einer Straßenbahn aber der Strom. Hier alle meine Ideen umzusetzen – zu Beleuchtung, Soundanlage, Tresen, Kühlschrank, Fahrgastraum und so weiter – das war immer wieder herausfordernd.

WELCHE IHRER EIGENSCHAFTEN HAT IHNEN BEI DER UMSETZUNG GEHOLFEN?

Da gibt es die zwei: Ausdauer und Flexibilität. Gerade bei dem Partybahn-Projekt hat sich das wieder bestätigt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden und ich hoffe, die Fahrgäste und der Jenaer Nahverkehr werden es auch sein. Ich freue mich schon darauf, im neuen Ambiente durch Jena zu fahren.

Das Gespräch führte Anja Tautenhahn.

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