Ein Herz und ein Haus für Tauben – diese Vorteile bietet ein Taubenschlag

jenawohnen errichtetim August 2012 als erstes Wohnungsunternehmen in Thüringen einen betreuten TaubenschlagDas Ziel: Die Taubenpopulation tierschutzkonform kontrollieren und dadurch reduzierenWas die Vorteile eines festen Wohnortes für Tauben sind und was das Pilotprojekt bisher gebracht hat, verraten Stephan Köbe, der seit über acht Jahren Taubenwart in den Taubenschlägen von jenawohnen ist, und Isabelle Marquart, die das Projekt von Anfang an mit begleitete. 

Echte Taubeneier (unten) und Gips-Attrappen (oben) in einem Bild.

„Es sieht vielleicht so aus, aber das hier ist kein Taubenei“, sagt Taubenwart Stephan Köbe lachend, während er einen kleinen, weißeneierförmigen Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Er kramt kurz in einem Eimer und holt ein weiteres Oval in Eierschalenweiß hervor und klärt auf: Das eine ist ein Taubenei und das andere Ei besteht aus Gips“. Diese Mogelpackungen in Eiergestalt sind eines der Geheimnisse, die den Taubenschlag als Methode zur Reduzierung der Taubenpopulation so erfolgreich machen. „Auf diese Weise habe ich in acht Jahren schon über 3.00Taubeneier gegen Ei-Attrappen ausgetauscht“, verrät der 55-jährige Taubenwart, der über jedes von ihm hinterlegte „Kuckucks-Ei“ genaustens Buch führt. 

Doch bevor diese bemerkenswerte Zahl ausgetauschter Eier überhaupt aufgeschrieben werden konnte, musste die Entscheidung, in einen Taubenschlag zu investieren, erst einmal gefällt werden. Den sprichwörtlichen Stein ins Rollen brachte hierbei vor fast zehn Jahren Isabelle Marquart, Mitarbeiterin bei jenawohnenDa die Stadt Jena die Verantwortung für die Taubenabwehr den Gebäudeeigentümer übertragen hat, lag es an jenawohnen, eine Lösung für das Taubenproblem auf den eigenen Häusern zu entwickeln.”

Die Ursache bekämpfen und nicht nur die Symptome

Bei ihrer Recherche stieß die jenawohnen-Mitarbeiterin auf Tötungsaktionen, die gegen das Tierschutzgesetz verstießen, und auf die Verwendung von Netzen und Spikes, die das Tauben-Problem lediglich auf benachbarte und ungeschützte Bereiche verlagerten. Aber sie entdeckte auch etwas, dass es in Jena bisher noch nicht gab. „In anderen deutschen Städten wurden gute Erfahrungen mit Taubenschlägen gemacht.“ Und was in anderen Städten funktioniert, sollte auch in Jena möglich sein.

Das Pilotprojekt startete vor über acht Jahren im August 2012. Ihr erstes Haus für Tauben erbaute jenawohnen auf dem Zwischenbau des Elfgeschossers in der Stauffenbergstraße 16 in Lobeda-West. “Wir waren das erste Wohnungsunternehmen in Thüringen, das einen betreuten Taubenschlag installiert hat”, erinnert sich Isabelle Marquart und fügt hinzu: „Damit starteten wir nicht nur als “Vorreiter” ein Pilotprojekt, sondern machten darauf aufmerksam, dass man das Stadttaubenproblem tierschutzgerecht lösen kann.”

Die Arbeit im Taubenschlag

Natürlich muss der Taubenschlag regelmäßig von einem Taubenwart gereinigt und desinfiziert werden, um die Verschmutzungen zu beseitigen und Krankheitserregern vorzubeugen. Außerdem bringt er artgerechtes Futter und Wasser. Hierfür wurde damals in Zusammenarbeit mit der Integrationsfirma inJENA gGmbH (ein Unternehmen der ÜAG)  eine “Bürgerarbeitsstelle” eingerichtet. Nach dem Ende des Förderzeitraums wurde der Taubenwart ab 2015 fest bei der inJENA angestellt. 

“Die Stelle war perfekt für mich,” sagt Stephan Köbe. “Ich kümmerte mich zu diesem Zeitpunkt neben meiner Arbeit schon seit Jahren gemeinsam mit einem Freund um dessen Brieftauben.” Der 55-Jährige ist gelernter Maurer und Tischler und betreut die Tauben auf dem Dach der Stauffenbergstraße von Beginn an.

“Heimscheißer” :)

Der Taubenwart sorgt dafür, dass sich die Tiere heimisch fühlen. Denn das sei sehr wichtig: „Wenn sich die Tauben hier wohl und gut versorgt fühlen, dann gelingt es,  die Vögel an das Taubenhaus zu binden“, weiß der Taubenfreund. So entfalle nicht nur die Futtersuche in den Wohnquartieren, die Tauben setzen außerdem 80 bis 90 Prozent ihres Kotes im Taubenschlag ab. „Man möchte es nicht meinen, aber da kommen pro Woche und pro Taubenschlag 25 Kilogramm Kot zusammen”, weiß Stephan Köbe. Bei drei Taubenschlägen, die er betreut, kann jeder selbst ausrechnen, wie viele Tonnen im Jahr dadurch im Taubenschlag und nicht auf Bänken, Plätzen oder Balkonen landen.

Der größte Vorteil eines Taubenschlages sei jedoch die Geburtenkontrolle. Die Gelege werden, wie anfangs bereits erwähnt, gegen Ei-Attrappen ausgetauscht.  Dadurch kann die Vermehrung der Tiere kontrolliert und eingeschränkt werden. Nur ab und an lässt der 55-Jährige ein Taubenpaar ein Ei ausbrüten. “Sonst werden die Tiere misstrauisch und denken, mit dem Nistplatz stimmt etwas nicht”, erklärt er. Und die Zahlen zeigen – der Taubenschlag in der Stauffenbergstraße kommt gut an. Derzeit wohnen dort etwa 100 Tauben. 

Ein Blick in den Taubenschlag.

Ein durch Menschen verursachtes Problem

Stephan Köbe liebt nicht nur seine Arbeit mit den Tauben, sondern auch die Tiere selbst. Deshalb kann er nicht verstehen, wie Menschen ihnen mutwillig etwas Böses wollen. “Natürlich ist es nicht schön, wenn eine Taube sich gerade Ihren Balkon als Nistplatz aussucht. Aber man sollte immer im Blick behalten, dass das Taubenproblem menschengemacht ist”, sagt Stephan Köbe mit Nachdruck. “Unsere Straßentauben sind im Grunde nichts anderes als verwilderte Haustiere, die Jahrhunderte lang  gezüchtet wurden, um viel Fleisch und Eier zu produzieren”.

Die natürlichen Körnerfresser sind wegen des fehlenden Getreideangebotes in Städten gezwungenermaßen zu Allesfressern konvertiert. Obwohl es ihnen nicht bekommt, fressen sie Dönerreste, Kuchenkrümel und vieles mehr, was sie auf den Straßen oder in Mülleimern finden. Man sollte also nicht aus den Augen verlieren, dass die Tauben unter der großen Taubenpopulation selbst am meisten leiden. Mit einem Taubenschlag versorgt man also nicht nur die Tiere artgerecht und reduziert durch den Ei-Austausch die Taubenpopulation. Man reduziert auch das Taubenleid auf den Straßen von Jena.

Falls du in Jena eine Taube in Not finden solltest, schau nicht weg, sondern wähle die Notfallnummer 0179 77 10 560 oder 0176 61 32 2121. Ehrenamtliche Tierschützerinnen werden versuchen, dem Tier zu helfen.

Auf einen Blick

Taubenschläge – Ein Weg zur friedlichen Koexistenz

  • Bindung der Tauben an Schläge
  • kontrollierte Fütterung und regelmäßige Säuberung
  • Verhinderung des Nachwuchses durch Austausch der Gelege gegen Ei-Attrappen
  • Steigern der Unattraktivität wilder Nistplätze außerhalb der Schläge

Vorteile und Erfolge von Taubenschlägen

Herrschte zu Beginn des Projektes noch Skepsis, so spricht der Erfolg der Taubenhäuser eine deutliche Sprache:

  • Durch den Ei-Austausch wird die Reproduktion der Tauben und damit die Population langfristig stark reduziert. Im Jahr 2020 wurden allein in dem Taubenschlag in der Stauffenbergstraße über 360 Eier ausgetauscht. (Plus 262 ausgetauschte Eier in der Fregestraße und 398 ausgetauschte Eier im Taubenschlag am Klinikum)
  • Da die Futtersuche entfällt, halten sich die Tauben überwiegend im Schlag auf und setzen dort 80-90% des Kotes ab. (ca. 25 kg pro Taubenschlag und Woche) Das waren im Jahr 2020 fast vier Tonnen. Der Kot wird fachgerecht entsorgt.
  • Verringerung der Verschmutzung an Gebäuden und in der Umgebung sowie der „Belagerung“ von Balkonen.
  • Rückgang der Mieter- / Bürgerbeschwerden.
  • Abwehrmaßnahmen wie Netze und Spikes entfallen weitgehend.
  • Gesunde Tiere durch artgerechtes Futter. -> Verringerung des Tierleides
  • Tierschutzkonform
Eine Taube im Taubenschlag.

Taubenschläge in Jena

August 2012: jenawohnen errichtet den ersten Taubenschlag in Jena auf dem Zwischenbau des Elfgeschossers in der Stauffenbergstraße 16.

Dezember 2014:  jenawohnen errichtet zweites Taubenhaus in der Fregestraße.

Juni 2015: Das Universitätsklinikum, jenawohnen GmbH und die WG Carl Zeiss eG eröffnen Taubenhaus Nr. 3 als Kooperationsprojekt in Neulobeda-Ost.

Oktober 2016: Die Goethe Galerie Jena eröffnet erstes innerstädtisches Taubenschlag auf ihrer Dachfläche. 

September 2018: Die Stadt Jena eröffnet einen Taubenschlag im Dachstuhl einer kommunalen Immobilie. 

2018:  Ein Taubenschlag steht auf einem Privatgrundstück und wird ehrenamtlich betreut. 

Die Kapazitäten der bestehenden Taubenhäuser reichen nicht aus, um alle in unserer Stadt ansässigen Tauben unterzubringen.

Mehr Informationen zum Thema gibt es auf Stadttauben Jena. 

Das kommunale Wohnungsunternehmen hat jedoch nicht nur ein Herz für Tauben. Mit ihren Bienenweiden schützt jenawohnen außerdem die Artenvielfalt der Insekten in der Stadt. Wiesen sind die zeitgemäße Antwort auf das Insektensterben und ein kleiner Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und für ein gutes Klima in unserer Stadt. 

Gibt es in eurer Stadt auch Taubenschläge? Wie findet ihr diese Variante, um das „Taubenproblem“ in den Griff zu bekommen? Verratet es uns in den Kommentaren.

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