Abgetaucht: Arbeitseinsatz in brackig-brauner Dunkelheit

Ein Brodeln und Blubbern: Mehr war nicht zu sehen von den Reparaturarbeiten im Belebungsbecken der Kläranlage Magdala. Gearbeitet wurde nämlich unter Wasser. Industrietaucher aus Neustadt/Orla bohrten und schraubten in neun Metern Tiefe und völliger Dunkelheit. Wir standen – trockenen Fußes – staunend mit am Beckenrand.

Geübte Handgriffe: Marcus Diedrich, Marco Fenske und Assistent Dirk König (v.l.).

Es hatte schon was von Jules Verne und seinem Kapitän Nemo, wie Marco Fenske in Vollgummianzug und massivem Tauchhelm in die brackig-braunen Fluten stieg. Die Bleigewichte am Gürtel machen seine Schritte schwer und das Übersteigen des Geländers mühevoll. Nicht ganz 20.000 Meilen unter das Meer, aber immerhin neun Meter in die Tiefe führt ihn sein Arbeitsweg: Auf den Grund des Belebungsbeckens in der Kläranlage Magdala. 

Das Becken ablassen? Unvorstellbar!

„Zwei der Belüftungseinlässe sind defekt und mussten ausgetauscht werden“, erzählt Peer Gustmann vom Bereich Abwasser der Stadtwerke. „Das Rührwerk erzeugt eine so starke Strömung, dass sich das Metall verbiegt. Die Taucher sollen nun am Beckenboden zwei Y-förmige Fanggabeln installieren. Diese dienen als zusätzliche Halterung für die Lufteinlässe, um Beschädigungen künftig zu vermeiden.“ Dafür das Klärbecken mit einem Fassungsvermögen von fast 14.000 Kubikmetern Schmutzwasser zu entleeren, wäre unmöglich gewesen. „Wir haben vor einigen Jahren schon einmal mit Tauchern gearbeitet und gute Erfahrungen gemacht. Deshalb greifen wir gern wieder darauf zurück.“ 

Zum Einsatz kommt die Firma Diedrich Taucharbeiten aus Neustadt/Orla. Inhaber Marcus Diedrich ist seit 20 Jahren im Geschäft, war bereits weltweit an unterschiedlichsten Projekten beteiligt. Inzwischen mag er nicht mehr so weit reisen und konzentriert sich auf Aufträge in Europa: Stahlwerke, Atomkraftwerke, Chemieanlagen, Staudämme. Seine Taucherbrille hat schon fast alles von unten gesehen. Nun also Magdala. 

Blindes Arbeiten in neun Metern Tiefe

Um das Teil ging es: Vier Löcher, vier Schrauben, fertig – allerdings unter Wasser im völligen Blindflug…

Der Auftrag klingt überschaubar: Um die beiden Edelstahlhalterungen zu installieren, müssen “eigentlich nur” jeweils vier Löcher gebohrt und vier Anker verschraubt werden. Die große Crux: Da unten in neun Metern Tiefe ist es stockdunkel. Industrietaucher Marco Fenske muss blind arbeiten. Er kann sich nur tastend und anhand der vorher eingeprägten Baupläne orientieren. Was ihn am Grund des Beckens erwartet, das weiß er nicht: Bodenbeschaffenheit, Ablagerungen, Stolperfallen, Ecken und Kanten, an denen sein Tauchschlauch hängen bleiben könnte – all das muss er erfühlen und mithilfe seiner zehnjährigen Berufserfahrung erahnen. 

Seine Arbeitsmaterialien – unter Wasser kommt ein Hydraulikbohrer zum Einsatz – aber auch Kleinteile wie Anker und Muttern, Schraubenschlüssel und Hammer lässt Assistent Dirk König im Korb und an Seilen zu ihm hinunter. Chef Marcus Diedrich hält über eine blechern-knarzende Funkverbindung Sprechkontakt, gibt Hinweise und hilft bei Problemen. Die gibt es trotz intensivster Vorbereitung reichlich, mehrmals bricht der Bohrer am Stahlbeton ab, es muss umgeplant und neues Material herangeschafft werden. Doch schließlich geht alles gut: Erschöpft, aber überraschend „gut beeinander“, taucht Fenske nach mehr als drei Stunden körperlicher Arbeit aus dem 17 Grad kalten Wasser wieder auf. 

Großputz an allen Anlagen und Bauteilen

Unterdessen hat das Team um Peer Gustmann die Zeit genutzt, um das Klärbecken gründlich zu reinigen. Das Rührwerk wurde hochgezogen und von Verzopfungen befreit. Mithilfe zweier Kräne wurden die insgesamt acht jeweils zehn Meter langen Belüftungrohre komplett aus dem Becken gezogen und gründlich gereinigt. Anschließend wurden sie mit neuen Belüftungseinlässen aus Silikonkautschuk bestückt: Diese können den für die Abwasserreinigung so wichtigen Sauerstoff deutlich feiner verwirbeln, als die bisherigen ETPM-Belüfter.  

Die Industrietaucher steigen schließlich noch weitere Male ins Becken: Mit bloßen Händen und sich ebenfalls blind vorwärts tastend, lösen sie am Boden des Klärbeckens befindliche Ablagerungen und Verstopfungen. Mithilfe des Saugfahrzeuges wurden diese schließlich entfernt. Ebenfalls kein ganz banales Unterfangen in der völligen Dunkelheit der Tiefe: Schließlich dürfen weder Taucher noch Technik noch Luftschlauch von dem überdimensionalen „Rüssel“ eingesaugt werden… Doch auch hier geht alles gut. Nach anderthalb Tagen Arbeit ist das Projekt in Magdala abgeschlossen und die Anlage läuft wieder reibungslos. 

Die Taucher ziehen unterdessen im Auftrag von JenaWasser weiter: Ähnliche Reinigungseinsätze sind in den kommenden Tagen und Wochen auch noch in Isserstedt, Dornburg und Camburg geplant. 

Wir spielen gerne Mäuschen und waren im vergangenem Jahr auch beim jährlichen Großputz im Hochbehälter Drackendorf dabei. 

Dass es auf Kläranlagen nicht immer nur brackig-braun aussieht zeigen diese zweieinhalb  blühenden Fußballfelder auf der zentralen Kläranlage in Jena-Zwätzen. 

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